Schwabmünchner Allgemeine

Früher brachten die Bauern Matratzen mit zum Viehmarkt Schwabmünchen

Die Werkzeuge sind sauber in Reih und Glied an der Holzwand angeordnet. Es riecht nach Holz, Farbe und Leder. Im grauen Arbeitsmantel erklärt Anton Kraus anhand eines Polsters für eine Bettenrückwand mit erkennbarem Stolz, wie „ordentliche Handwerksarbeit“ auszusehen hat.


Mit 81 Jahren arbeitet der gelernte Raumausstatter - er hat den Beruf noch als „Polsterer, Dekorateur und Tapezierer“ erlernt - immer noch in der Werkstatt seines Geschäftes an der Mindelheimer Straße in Schwabmünchen. Zusammen mit Ehefrau Marianne und Sohn Heinz verkauft Anton Kraus Waren und Dienstleistungen rund ums Schlafen sowie Bodenbeläge, Gardinen, Sonnenschutz und Tischwäsche - und bietet auch Polsterarbeiten an.

Das Familienunternehmen feiert dieses Jahr 130-jähriges Jubiläum. 1886 im Haus Nummer 128 in Schwabmünchen gegründet Die Firmengeschichte der Kraus Raumausstattung GmbH lässt sich bis auf das Jahr 1884 zurückverfolgen.

Damals habe sein Großvater Andreas Kraus die Polsterei und Sattlerei im „Haus Nummer 128“ gegründet, erzählt Anton Kraus. Nach verschiedenen Umzügen habe der Großvater in der Frauenstraße, damals an Schwabmünchens zentralem Punkt, gebaut. Hier fand der wöchentliche Viehmarkt statt und die Bauern brachten ihre „kaputten Matratzen mit dem Karren“ mit, schildert Anton Kraus.

Während sie im Wirtshaus Bier tranken, haben sie ihre Matratzen reparieren lassen. Über zehn Mitarbeiter habe der Großvater damals beschäftigt, unter ihnen auch seinen Sohn Andreas, den Vater von Anton Kraus. Wie vielen anderen Deutschen auch habe der 1. Weltkrieg für Familie Kraus schlechte Zeiten gebracht: Der Vater musste in den Krieg ziehen, zu Hause starb der Großvater mit 54 Jahren. Wegen der damaligen Inflation in den 1920er Jahren musste die Familie fast alles verkaufen: „Wir hatten alles verloren.“ Nachdem der Vater heil aus dem Krieg zurück gekommen war, habe er alles wieder von neuem aufgebaut. Auch Anton Kraus blieb dem Handwerk der Familie treu. Nach seiner Meisterprüfung im Jahr 1953 machte er sich selbstständig, eröffnete 1960 gar einen eigenen Laden.

Sein Handwerk hatte er bei der Firma Sauer in Augsburg gelernt. „Reiche Kunden“ hätten sie damals gehabt, berichtet er, unter anderem für die Fugger exklusive Sachen gefertigt. Heute habe sich die Kundschaft verändert, sagt der Senior: „Die Leute sind übersättigt.“ Früher wurden kaputte Sofas und Kanapees noch neu gepolstert und bezogen. Heute werde oft Altes einfach weggeworfen und Neues gekauft, urteilt der 81-Jährige.
Für den Kunden sei heute der Preis ausschlaggebend, weniger die handwerkliche Qualitätsarbeit. Er verweist auf die großen Möbelgeschäfte und auf die Discounter-Ketten, die ihm das „Überleben“ schwer machten. Trotzdem will er nicht klagen. Es gibt noch Konsumenten, die gut beraten sein möchten Außer im August sei das Geschäft dieses Jahr doch „ganz ordentlich gelaufen“, wirft sein Sohn Heinz Kraus ein. Es gibt ihn doch noch, den Konsumenten, „der vergleicht, der Wert auf handwerkliche Leistung legt, und der gut beraten sein möchte“, ist der Raumausstattermeister überzeugt. Mit all diesen Leistungen können Familienunternehmen auch heutzutage mit den „Möblern“ und Discountern mithalten, zeigt sich der Juniorchef optimistisch: „Bei uns wissen die Kunden, dass sie etwas Gutes kriegen.“